Kommentare -

0

Kommentare -

0

Die Herausforderung der menschlichen Natur im Metaverse: Warum sich unser Verhalten in virtuellen Welten verändert

Das Ver­hal­ten von Men­schen in gro­ßen Social VR Sys­te­men wie Roblox, VR Chat, Rec Room und Meta Hori­zon Worlds zeigt in vie­ler­lei Hin­sicht Par­al­le­len zur rea­len Welt, doch in der vir­tu­el­len Umge­bung schei­nen die Hemm­schwel­len oft gesenkt zu sein. Die Grün­de dafür sind kom­plex und viel­schich­tig, hän­gen aber stark mit der mensch­li­chen Psy­cho­lo­gie und der Struk­tur die­ser digi­ta­len Wel­ten zusammen.

Ein wesent­li­cher Fak­tor ist die Anony­mi­tät, die das Inter­net im All­ge­mei­nen und VR Platt­for­men im Beson­de­ren bie­tet. Wenn sich Men­schen in einer vir­tu­el­len Umge­bung bewe­gen, in der sie durch einen Ava­tar reprä­sen­tiert wer­den, der kei­ner­lei visu­el­le Ver­bin­dung zu ihrer ech­ten Iden­ti­tät hat, sinkt die Wahr­schein­lich­keit, dass sie die Kon­se­quen­zen ihres Ver­hal­tens direkt spü­ren. Die­se Distan­zie­rung von der Rea­li­tät kann dazu füh­ren, dass sich man­che Nut­zer eher dazu hin­rei­ßen las­sen, sozia­le Nor­men zu igno­rie­ren oder sogar ande­re zu beläs­ti­gen. Das Kon­zept der soge­nann­ten „Online-Dis­in­hi­bi­ti­on“ beschreibt genau die­ses Phä­no­men: Ohne die direk­te, phy­si­sche Kon­fron­ta­ti­on oder Reak­tio­nen wie Augen­rol­len oder Abwen­dung des Kör­pers füh­len sich Men­schen frei­er und ent­hemm­ter in ihren Handlungen.

Ein wei­te­rer Aspekt ist das Umfeld selbst. Die vir­tu­el­len Wel­ten sind oft bunt, ver­spielt und erin­nern an eine Art Par­al­lel­rea­li­tät, in der alles mög­lich scheint. Dadurch füh­len sich Men­schen ermu­tigt, Gren­zen aus­zu­tes­ten, die sie im rea­len Leben nie­mals über­schrei­ten wür­den. Ins­be­son­de­re für jün­ge­re Nut­zer kann es schwer sein, die Kon­se­quen­zen ihrer Taten voll­um­fäng­lich zu ver­ste­hen, da sie die Platt­form oft als Spiel begrei­fen, das nur wenig mit dem ech­ten Leben zu tun hat. Wenn Kin­der in die­sen Wel­ten ohne Beglei­tung oder Anlei­tung unter­wegs sind, kann dies zu unkon­trol­lier­tem Ver­hal­ten füh­ren, da sie die sozia­le Dyna­mik die­ser Wel­ten nicht voll­stän­dig erfas­sen oder die Bedeu­tung ihrer Hand­lun­gen begreifen.

In den VR Wel­ten gibt es auch ein inhä­ren­tes Pro­blem des Grup­pen­zwangs. Men­schen, ins­be­son­de­re Kin­der und Jugend­li­che, sind emp­fäng­lich für Grup­pen­ein­flüs­se, und das Ver­hal­ten eines Ein­zel­nen kann schnell von ande­ren kopiert wer­den, um Zuge­hö­rig­keit zu zei­gen oder ein­fach, um nicht aus­ge­schlos­sen zu wer­den. Die­se Dyna­mik lässt nega­ti­ve Ver­hal­tens­wei­sen eska­lie­ren, da die Gren­zen des­sen, was akzep­ta­bel ist, durch das Ver­hal­ten der Grup­pe ver­scho­ben wer­den. Wenn die sozia­le Norm in einer VR Welt dahin ten­diert, destruk­ti­ves Ver­hal­ten zu tole­rie­ren oder sogar zu för­dern, dann füh­len sich die Nut­zer dazu ermu­tigt, die­ses Ver­hal­ten anzunehmen.

Die Her­aus­for­de­rung der Auf­sicht und der Mode­ra­ti­on ist in die­sen vir­tu­el­len Umge­bun­gen beson­ders groß. Selbst wenn Platt­for­men Tools und Mecha­nis­men zur Ver­fü­gung stel­len, um die Inter­ak­ti­on siche­rer zu gestal­ten, liegt es letzt­lich an den Nut­zern, die­se aktiv zu nut­zen. Die effek­ti­ve Über­wa­chung von Mil­lio­nen von Nut­zern in Echt­zeit ist eine nahe­zu unmög­li­che Auf­ga­be, und die Anbie­ter ste­hen vor dem Dilem­ma, einer­seits eine offe­ne Platt­form für krea­ti­ven Aus­druck zu bie­ten, ande­rer­seits jedoch sicher­zu­stel­len, dass dies auf ver­ant­wor­tungs­vol­le Wei­se geschieht. Die Rea­li­tät zeigt jedoch, dass trotz tech­ni­scher Hilfs­mit­tel wie Sicher­heits­zo­nen, Blo­ckier­funk­tio­nen und mode­rier­ten Instan­zen die mensch­li­che Natur und die Viel­fäl­tig­keit der Ver­hal­tens­wei­sen schwer zu kon­trol­lie­ren sind.

Auch das Alter der Nut­zer ist ein ent­schei­den­der Fak­tor. Kin­der und Jugend­li­che sind in sol­chen Umge­bun­gen beson­ders gefähr­det, da sie in vie­ler­lei Hin­sicht noch nicht über die Fähig­keit ver­fü­gen, die Gefah­ren und Risi­ken voll­stän­dig ein­zu­schät­zen. Eltern, die den digi­ta­len Raum oft nicht ver­ste­hen oder sich mit den Platt­for­men ihrer Kin­der nicht aus­ken­nen, las­sen die­se häu­fig unbe­auf­sich­tigt. Das Ergeb­nis ist eine oft gefähr­li­che Mischung aus nai­ver Neu­gier­de, dem Bedürf­nis nach Aner­ken­nung und der unzu­rei­chen­den Fähig­keit, sich gegen unan­ge­mes­se­ne Annä­he­run­gen oder Mob­bing zu weh­ren. Kin­der, die in die­se Wel­ten ein­tau­chen, ohne die nöti­gen Leit­plan­ken und ohne elter­li­che Unter­stüt­zung, sind beson­ders anfäl­lig für Über­grif­fe und nega­ti­ve Erleb­nis­se, die lang­fris­ti­ge psy­chi­sche Aus­wir­kun­gen haben können.

Ein wei­te­res Pro­blem in die­sen vir­tu­el­len Umge­bun­gen ist die ver­meint­li­che Kon­se­quenz­lo­sig­keit des Han­delns. Men­schen kön­nen eine vir­tu­el­le Welt ver­las­sen und sich in eine ande­re bege­ben, ohne für ihre Hand­lun­gen zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen zu wer­den. Die­se „Reset-Kul­tur“ schafft eine Illu­si­on der Straf­lo­sig­keit, die Men­schen ver­lei­ten kann, sich in einer Wei­se zu ver­hal­ten, die sie in einer phy­si­schen Welt nie wagen wür­den. Im rea­len Leben gibt es direk­te Kon­se­quen­zen, wenn man sich dane­ben benimmt, sei­en es sozia­le Sank­tio­nen oder recht­li­che Kon­se­quen­zen. In der vir­tu­el­len Welt hin­ge­gen scheint die Distanz zwi­schen dem eige­nen Ver­hal­ten und den mög­li­chen Fol­gen so groß zu sein, dass sich man­che Nut­zer ermu­tigt füh­len, unge­straft die Gren­zen des sozia­len Anstands zu überschreiten.

Schluss­end­lich spie­len auch emo­tio­na­le Bedürf­nis­se und der Wunsch nach Kon­trol­le eine gro­ße Rol­le. In der rea­len Welt füh­len sich vie­le Men­schen macht­los oder ein­ge­schränkt. Die VR bie­tet eine Art von Flucht­ort, in dem sie ihre eige­nen Regeln machen oder zumin­dest Regeln bre­chen kön­nen, ohne die glei­chen unmit­tel­ba­ren Kon­se­quen­zen fürch­ten zu müs­sen. Die­se ver­meint­li­che Macht über ande­re Men­schen oder die Umge­bung kann für eini­ge Nut­zer sehr ver­lo­ckend sein, ins­be­son­de­re für jene, die im rea­len Leben das Gefühl haben, wenig Ein­fluss oder Aner­ken­nung zu besit­zen. Wenn Men­schen das Gefühl haben, dass sie im ech­ten Leben kei­ne Kon­trol­le haben, kön­nen sie die VR als eine Art Spiel­platz sehen, auf dem sie die­ses Bedürf­nis nach Macht oder Kon­trol­le aus­le­ben kön­nen, oft auf Kos­ten anderer.

Die genann­ten Aspek­te ver­deut­li­chen, dass das unge­zü­gel­te Ver­hal­ten in VR Platt­for­men ein Zusam­men­spiel aus der Anony­mi­tät, dem Wunsch nach Zuge­hö­rig­keit, einer gerin­gen Ein­sicht in die Kon­se­quen­zen des eige­nen Han­delns und einer feh­len­den sozia­len Kon­trol­le ist. Die Anbie­ter ste­hen vor der enor­men Her­aus­for­de­rung, eine Balan­ce zu fin­den zwi­schen der Schaf­fung einer offe­nen, krea­ti­ven Platt­form und dem Schutz ihrer Nut­zer. Tech­ni­sche Sicher­heits­maß­nah­men sind wich­tig, doch sie kön­nen die grund­le­gen­den psy­cho­lo­gi­schen Mecha­nis­men, die Men­schen zu nega­ti­vem Ver­hal­ten ver­lei­ten, nicht voll­stän­dig auf­he­ben. Am Ende bleibt die Erkennt­nis, dass die Ver­ant­wor­tung nicht nur bei den Platt­for­men liegt, son­dern auch bei den Nut­zern selbst sowie bei Eltern und Erzie­hungs­be­rech­tig­ten, die sicher­stel­len müs­sen, dass ihre Kin­der ver­ste­hen, wie sie sich in die­sen digi­ta­len Räu­men sicher und respekt­voll bewe­gen können.

Tags:

Pierre Kretschmer

Senior Spezialist Digitales Marketing und Extended Reality. Gründer der VR Familie. Worldbuilder und Metaverse Enthusiast.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Artikel

Facebook Community

Werde Teil unserer Facebook-Community und bekomme alle News rund um die VR Familie direkt auf deinem Facebook-Newsfeed.