Kommentare -

0

Kommentare -

0

Pygmalions Brille und deren Schatten

Die Idee eines Gerä­tes, das man sich auf dem Kopf setzt, um damit immersiv Bil­der­wel­ten zu erle­ben ist nicht neu. “Pygmalion’s Spec­ta­cles” ist eine Kurz­ge­schich­te von Stan­ley G. Wein­baum, die 1935 ver­öf­fent­licht wur­de und gilt als eine der ers­ten lite­ra­ri­schen Erwäh­nun­gen der Idee einer vir­tu­el­len Rea­li­tät. In der Geschich­te erfin­det Pro­fes­sor Lud­wig eine Art von Bril­le, die dem Trä­ger eine künst­li­che Rea­li­tät erle­ben lässt, die alle Sin­ne umfasst: Sehen, Hören, Schme­cken, Rie­chen und Tasten.

Der Prot­ago­nist, Dan Bur­ke, trifft den Pro­fes­sor Lud­wig und wird in die Funk­ti­ons­wei­se der Bril­le ein­ge­führt. Er erfährt, dass die­se Rea­li­tät durch eine Geschich­te gespeist wird, die auf einem holo­gra­phi­schen Film auf­ge­zeich­net ist. Bur­ke ent­schei­det sich, die Bril­le aus­zu­pro­bie­ren, und wird in eine voll­stän­dig immersi­ve Welt — Para­c­os­mo — versetzt.

In die­ser hat er eine roman­ti­sche Begeg­nung mit einer Frau namens Gala­tea. Die Erfah­rung ist so real, dass Bur­ke sich in die vir­tu­el­le Figur ver­liebt. Beim Erwa­chen aus der vir­tu­el­len Welt wirkt die­se Erfah­rung noch lan­ge nach.

Die Geschich­te stellt Fra­gen über die Natur der Rea­li­tät und der Wahr­neh­mung und erkun­det die poten­zi­el­len emo­tio­na­len und psy­cho­lo­gi­schen Aus­wir­kun­gen von voll­stän­dig immersi­ven vir­tu­el­len Wel­ten auf den Men­schen. “Pygmalion’s Spec­ta­cles” war weg­wei­send in der Sci­ence-Fic­tion-Lite­ra­tur, indem es Kon­zep­te vor­weg­nahm, die in der moder­nen Dis­kus­si­on um vir­tu­el­le Rea­li­tät und Meta­ver­se zen­tral sind.

Wein­baums Kurz­ge­schich­te zeigt deut­lich, wie sehn­süch­tig wir Men­schen über Jahr­hun­der­te hin­weg von der Vor­stel­lung ange­trie­ben wer­den, eige­ne Phan­ta­sien und Träu­me zu visua­li­sie­ren. Das Stre­ben nach per­fek­ter Rea­li­tät ent­wi­ckelt sich über die Zeit hin­weg inner­halb Kunst, Wis­sen­schaft und Kul­tur. Aus Bil­dern wer­den beweg­te Bil­der, die in der Vor­stel­lung Wein­bergs sogar immersiv mit allen Sin­nen erleb­bar wer­den kön­nen. Auch die Fra­ge nach der Rea­li­tät ver­schwim­men­de Gren­zen zu digi­ta­len Phan­ta­sien inspi­rie­ren hier geschicht­lich tie­fer ein­zu­tau­chen. Gala­tea nennt den Prot­ago­nis­ten einen Schat­ten. Wir ken­nen die­se Vor­stel­lung aus Pla­tons Höh­len­gleich­nis, wo die Rea­li­tät als Schat­ten­wurf eines Lager­feu­ers an eine Stein­wand beschrie­ben wird, die dar­in ein­ge­schlos­se­nen Men­schen die Wirk­lich­keit nie zu Gesicht bekom­men. So ist Para­c­os­mo eben­so die Rea­li­tät der vir­tu­el­len Gestal­ten denen das Altern oder der dro­hen­de Tod völ­lig fremd sind. Aber wie in Pla­tons Ket­ten sie einer vor­de­fi­nier­ten Bestim­mung, einer Sto­ry­line folgen.

Pygmalion galatea

Pyg­ma­li­on formt Gala­tea aus Elfenbein

Eben­so ist der titel­ge­ben­de Pyg­ma­li­on eine Figur aus der grie­chi­schen Mytho­lo­gie, ein Bild­hau­er, der sich in eines sei­ner Kunst­wer­ke ver­liebt. Die­se Geschich­te wur­de von Ovid in sei­nen “Meta­mor­pho­sen” erzählt. Pyg­ma­li­on war nicht von den Frau­en sei­ner Zeit über­zeugt und schuf statt­des­sen eine Sta­tue aus Elfen­bein, die er “Gala­tea” nann­te. Die Sta­tue war so schön und detail­liert gear­bei­tet, dass Pyg­ma­li­on sich in sie ver­lieb­te. Er bete­te zur Göt­tin Venus (Aphro­di­te in der grie­chi­schen Mytho­lo­gie), die sei­ner Sta­tue Leben ein­hauch­te, wor­auf­hin Gala­tea zu einer ech­ten Frau wur­de. Pyg­ma­li­on hei­ra­te­te sie schließlich.

Die Geschich­te von Pyg­ma­li­on hat das The­ma der Krea­ti­on, die ihren Schöp­fer über­steigt, inspi­riert und fin­det sich in vie­len kul­tu­rel­len Wer­ken wie­der. Im Zusam­men­hang mit der Kurz­ge­schich­te “Pygmalion’s Spec­ta­cles” spielt die Erzäh­lung auf die Idee an, dass künst­lich geschaf­fe­ne Wel­ten oder Wesen so per­fekt oder über­zeu­gend sein kön­nen, dass sie von ihren Schöp­fern als real emp­fun­den werden.

Heu­te, fast 100 Jah­re nach dem Erschei­nen der bewe­gen­den Kurz­ge­schich­te sind wir in der Lage, in digi­ta­le Wel­ten mit­tels XR Tech­no­lo­gien ein­zu­tau­chen. Den­noch feh­len uns noch wich­ti­ge Schlüs­sel Ele­men­te, wie das Rie­chen, Schme­cken und Füh­len. Viel­leicht soll­ten wir nach Pro­fes­sor Lud­wigs Patent noch­mals ein­ge­hen­der suchen.

Die Kurz­ge­schich­te ist auch als digi­ta­le Ver­si­on ver­füg­bar: https://www.amazon.de/Pygmalions-Spectacles-English-Stanley-Weinbaum-ebook/dp/B004SQUN5Y/

Pierre Kretschmer

Senior Spezialist Digitales Marketing und Extended Reality. Gründer der VR Familie. Worldbuilder und Metaverse Enthusiast.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Artikel

Facebook Community

Werde Teil unserer Facebook-Community und bekomme alle News rund um die VR Familie direkt auf deinem Facebook-Newsfeed.