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Mir graut es in der virtuellen Realität

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Wenn wir uns mit dem The­ma Hor­ror und Gru­sel in den Medi­en und damit auch in der vir­tu­el­len Rea­li­tät beschäf­ti­gen wol­len, so müs­sen wir einen Blick auf die Ver­gan­gen­heit wer­fen um zu ver­ste­hen, wie­so gera­de die­ses Gen­re weni­ger Schwan­kun­gen unter­liegt, als z.B. die Wild West Lite­ra­tur, der Sci­ence Fic­tion Film oder das Fan­ta­sy Gen­re. Hor­ror­ge­schich­ten und Fil­me unter­lie­gen einer augen­schein­lich kon­stan­ten Faszination.

Fan­tas­ti­sche Geschich­ten waren schon immer seit Men­schen sich ver­bal oder schrift­lich ver­stän­di­gen eine Aus­ein­an­der­set­zung mit Din­gen, die wir nicht ergrün­den kön­nen oder uns über­na­tür­lich erschei­nen. Ob in der Lite­ra­tur oder auch in Reli­gio­nen, das Über­sinn­li­che zieht uns an. Visua­li­siert wur­den sol­che Din­ge bereits im anti­ken Thea­ter, oder in der Malerei.

Den Grund­stein des moder­nen Hor­rors, mit heu­te noch tie­fen Ein­fluss auf das Gen­re in allen Medi­en­be­rei­chen, leg­te das Grand Gui­gnol in Paris. Das Thea­ter des Maka­bren wur­de 1897 gegrün­det und hat­te bis in die 60er tat­säch­lich noch Bestand, bis es letzt­end­lich geschlos­sen wur­de. In dem Thea­ter wur­den Hor­ror­ge­schich­ten teil­wei­se sehr gewalt­in­ten­siv insze­niert, die das Publi­kum bei jeder Vor­stel­lung — gera­de zu die­ser Zeit — sowohl in den Bann zogen als auch regel­recht empörten.

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Der kul­tu­rel­le Schnitt — Un Chien Andalou

Empö­rung gab es auch, als der Sur­rea­list Sal­va­dor Dali zusam­men mit sei­nem Film­freund Luis Bunu­el 1928 den Stumm­film „Ein anda­lu­si­scher Hund“ ver­öf­fent­lich­te. Der Film, der rein auf sur­rea­le Traum­se­quen­zen auf­baut, soll­te als Film mit der ers­ten expli­zi­ten Gewalt­sze­ne auf der Lein­wand — lan­ge nach dem Grand Gui­gnol — in die Medi­en Geschich­te ein­ge­hen. Mit einer Rasier­klin­ge wird einer Frau der Aug­ap­fel in Nah­auf­nah­me zer­schnit­ten (das Auge war in Wahr­heit ein Kuh­au­ge), was förm­lich mit einem Schnitt direkt in die Seh­ge­wohn­hei­ten der dama­li­gen Zuschau­er gleich­zu­set­zen war. So sehr emp­fan­den die Zuschau­er es als Angriff, so dass sie bei einer Pre­mie­re in Paris den Kino­saal ver­wüs­te­tet haben sollen.

Der Hor­ror nahm im ver­gan­ge­nen Jahr­hun­dert sei­nen Lauf und durch­leb­te auch in den Deka­den einen kon­ti­nu­ier­li­chen gesell­schaft­li­chen Wan­del. Er über­wand Zen­sur und wur­de mehr und mehr salon­fä­hig, bis die­ser natür­lich auch in die elek­tro­ni­sche Welt Ein­zug erhal­ten hat. Eine wirk­lich neue Dimen­si­on erfährt er nun durch die Virtualisierung.

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Phan­tas­men in der VR — Phantasmophobia

Schre­ckens­mo­men­te kön­nen im Ver­gleich zu der fla­chen Kino­lein­wand um den Zuschau­er her­um auf­ge­baut wer­den und poten­ziert sich direkt über die Immersi­on, so dass sogar jah­re­lan­ge Gen­re­lieb­ha­ber an ihre Gren­zen gebracht wer­den kön­nen. Aber den­noch ist das Erle­ben eines vir­tu­el­len Hor­rors noch eher mit einem Grand Gui­gnol ver­gleich­bar, als mit dem danach sich eta­blie­ren­den Film­me­di­um. Denn auch hier kann es sein, dass sich ein Schau­spie­ler unter das Publi­kum mischt und mit einem Thea­ter­mes­ser einem zu Tode erschreckt.

Noch bes­ser lässt sich der Hor­ror in der VR mit einer Geis­ter­bahn­fahrt ver­glei­chen. Wenn der Jahr­markts­be­su­cher vor einer Geis­ter­bahn steht, über­legt er sich zunächst, ob er sich den Din­gen bewusst aus­set­zen möch­te, die sich hin­ter den Kulis­sen des Fahr­ge­schäfts ver­ber­gen mögen. Er weiß, dass er ein paar Minu­ten lang durch eine dunk­le Welt gescho­ben wird, in der er aus allen Rich­tun­gen zutiefst erschreckt wer­den kann. Genau die glei­che Ent­schei­dung fäl­len wir, wenn wir unse­re Bril­le auf­set­zen und ein Spiel mit Hor­ror­ele­men­ten star­ten. Wir wis­sen nicht, was sich hin­ter dem Will­kom­mens­lo­go befin­det. Es exis­tiert nur die Gewiss­heit, dass wir Schre­ckens­mo­men­te erle­ben wer­den. Wir kap­seln uns im Gegen­satz von einem Film auf dem Fern­se­her oder der Lein­wand völ­lig aus einer ver­meint­lich siche­ren Umge­bung ab. Damit lie­fern wir uns bewusst dem Geis­te des Erfin­ders eines Hor­ror­spiels aus.

Der gro­ße Unter­schied zur Geis­ter­bahn ist, dass wir uns aus eige­nem Antrieb her­aus durch die­se Schock­mo­men­te bewe­gen müs­sen, wäh­rend in einer Gon­del wir durch­rol­len und alles bis zum Licht am Ende des Tun­nels ertra­gen wol­len. Der ein­zi­ge Schutz ist nur das Ver­schlie­ßen der Augen und das Zuhal­ten der Ohren.

In der VR kommt die Selbst­über­win­dung dazu. Hier kann ich jeder­zeit ste­hen blei­ben und für mich ent­schei­den, ob nun Schluss ist. Ich ertra­ge es nicht mehr. Im Umkehr­schluss erfor­dert es wesent­lich mehr Mut und Eigen­mo­ti­va­ti­on, sich durch ein VR Hor­ror­spiel zu bewe­gen. Aber bei allen Ele­men­ten ist eines immer das Glei­che, das uns wie­der und wie­der dazu bewegt, in das Grand Gui­gnol zu gehen, egal in wel­cher Form und media­ler Gestalt: Die Lust am Grauen.

Pierre Kret­schmer

Infor­ma­tio­nen zum Grand Gui­gnol: https://de.wikipedia.org/wiki/Grand_Guignol

Un Chien Anda­lou (Bezugs­quel­le): https://www.amazon.co.uk/LAge-dor-Chien-Andalou-Blu-ray/dp/B004LNSFMW

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Pierre Kretschmer

Senior Spezialist Digitales Marketing und Extended Reality. Gründer der VR Familie. Worldbuilder und Metaverse Enthusiast.

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